Kapitel 06

Nackt unter Kriegern

 

Wie geplant wache ich bei Sonnenaufgang auf. Etwas verschlafen reibe ich mir den Schlaf aus den Augen und versuche mich blinzelnd an das helle Sonnenlicht zu gewöhnen. Voller Elan schlage ich die Decke zurück und stehe auf. Ich strecke mich, um meine Muskeln, die sich in der Nacht durch das ungewohnt weiche Bett verkrampft hatten, zu lockern.

 

Nun munter, laufe ich ins Bad und hole mir ein Handtuch und gehe zur Tür. Dort angekommen habe ich das Gefühl als hätte ich irgendwas vergessen. Prüfend sehe ich an mir herunter… Ubs… Ich bin immer noch splitternackt! Schnell ziehe ich mich an – dieselben Sachen wie am Vortag. Bei der Gelegenheit fällt mir auch auf, dass ich mir nicht die Haare gekämmt habe. Mit einem leichten Grinsen stelle ich mir Minus Gesicht vor, wenn sie das bemerkt hätte. Ich glaube, sie hätte einen Herzstillstand bekommen.

 

Angezogen und gekämmt verlasse ich meine Wohnung. Dennoch werfen mir einige Elben merkwürdige Blicke zu. Bei allen Geistern! Ich stehe morgens nun mal nicht drei Stunden vor dem Spiegel! Innerlich über arrogante Elben schimpfend folge ich meinem Wollfaden und gelange so hinaus.

 

Schnurstraks laufe ich zum Bru…Bro… zu diesem großen Fluss halt! Mit den bei allen Indianerstämmen üblichen weit ausgreifenden, lautlosen Schritten marschiere ich zielstrebig flussabwärts zum Wald.

 

Flink klettere ich auf einen der Bäume, sehe mich kurz um, und setze meinen Weg immer am Fluss entlang von Baum zu Baum springend fort. Nicht, dass es notwendig wäre - nein es macht mir einfach nur Spaß.

 

Nach etwa einer halben Stunde finde ich eine geeignete Badestelle. Hier sind viele kleine Wasserfälle - wie Stufen. Die größten flachen Stellen sind etwa sieben Yards*6  lang und die kurzen teilweise nur wenige Zoll. Ähnlich ist es bei den Wasserfällen, nur das hier die höchsten geschätzte drei Yards hoch sind.

 

Ich streife meine Kleidung ab und springe ins Wasser. Ich drehe ein paar Runden und lasse mich dann einige kleine Wasserfälle hinab spülen, springe einen größeren hinunter und habe dann die Fälle auch schon hinter mir gelassen. Gemütlich lasse ich mich auf der Wasseroberfläche flussabwärts treiben. Bei einer Flussbiegung drehe ich mich auf den Bauch und tauche flussaufwärts zurück. Ich kann problemlos sechs oder sieben Minuten die Luft anhalten, ich kann es zwar auch bedeutend länger, doch dies ist dann sehr unangenehm und ich mache es nur in Notfällen.

 

Ich stelle mich unter einen der größeren Wasserfälle und lasse mir von dem Wasser Rücken und Nacken massieren. Danach klettere ich wieder die Wasserfälle hoch und plansche noch ein wenig in einem der durch die Stufen entstandenen Becken.

 

Mit dem Gefühl wirklich sauber zu sein, klettere ich wieder aus dem …Bruinen...so hieß der Fluss. Das Handtuch lasse ich unbeachtet liegen und strecke mich auf einem von der Sonne erwärmten Felsen aus. Ich ordne nur kurz mit einem Kamm meine Haare, damit sie nicht völlig verfilzen und schlafe dann ein, in dem Wissen, dass ich in Imladris vollkommen sicher bin.

 

Das Geräusch von Pferdehufen und Schritten im Gleichschritt, dazu das Klappern von Waffen wecken mich auf. Auf einmal ist es still. Es ist kein Laut mehr zu hören. Langsam drehe ich mich um. Vor mir steht eine Patrouille, vermute ich zumindest, bestehend aus einigen Reitern und – zum Großteil – Fußsoldaten. Und alle, wirklich alle, starren mich an. Ehrlich gesagt kann ich es ihnen nicht mal wirklich übel nehmen. Es kommt schließlich nicht allzu oft vor, dass man plötzlich mitten im Wald eine unbekleidete, schlafende Frau findet.

 

Ein Teil von mir amüsiert sich über ihre dummen Gesichter während der andere (deutlich größere) Teil am liebsten vor Scham im Erdboden versinken möchte. ‚Ganz ruhig! Lass dir nichts anmerken‘, ermahne ich mich in Gedanken. Ich versuche, so ruhig und entspannt wie nur möglich auszusehen.

 

„Wäre es möglich, dass die Herren sich umdrehen?“, frage ich scheinbar leichthin. Die Soldaten stottern etwas, was vermutlich eine Entschuldigung sein soll, werden rot wie überreife Tomaten (vorher waren sie rot wie reife Tomaten)und drehen mir hektisch den Rücken zu. Schnell springe ich auf und sammle meine Kleidung zusammen. Da die Krieger mir noch immer den Rücken zudrehen, sehe ich davon ab, mich hinter einem Gebüsch oder einem Baum zu verstecken, um mich anzuziehen. Außerdem sie haben mich sowieso schon ohne was gesehen.

 

„Ihr könnt euch wieder umdrehen“, sage ich, sobald ich fertig bin. Mit noch immer hochroten Gesichtern sehen sie mich an. Einer von ihnen, vermutlich der Anführer, räuspert sich und fragt, was ich denn hier ganz allein mitten im Wald mache. „Baden“ erwidere ich kurz auf diese unnütze Frage. Ich meine, ich lag unbekleidet mit nassen Haaren an einem Fluss und habe ein Handtuch dabei. Was habe ich wohl gemacht?! Orks gejagt? Ihre Gesichter wirken so, als hätten sie noch nie eine Frau gesehen. „Habt ihr noch nie eine unbekleidete Frau gesehen?!“, spreche ich diesen Gedanken auf sofort laut aus. Wie auf Kommando nehmen  ihre Gesichter wieder einen dunklen Rotton an. Von einigen höre ich  leises Gemurmel: „doch“, „Eigentlich schon“ oder „Ich bin Gebunden“, viele der übrigen sehen einfach nur mit roten Köpfen zu Boden und das „Nein“ ist so deutlich als würde es mit großen, roten Buchstaben auf ihren Stirnen stehen. „Wollt ihr mit nach Imladris kommen Lady?“ fragt mich ihr Anführer verschüchtert.

 

„Ich wollte sowieso dorthin zurück“, antworte ich, nur mit sehr viel Mühe einen Lachanfall unterdrückend. Also setzen wir den Weg gemeinsam fort. Immer wieder spüre ich die Blicke der Männer im  Rücken. „Wie heißt ihr?“ fragt mich der Anführer.

 

„Sureto, und ihr?“

 

„Falffân, Lady Sureto“ - Hübscher Name.

 

Endlich kommt Imladris in Sicht. Bruchtal. Doch lange kann ich den Anblick nicht genießen „Suri, Suri, da bist du ja wieder! Wo warst du?“, werde ich von Elladan begrüßt.

 

„Ich war baden“

 

„Etwa im Bruinen?“ Entsetzt sieht er mich an und ich nicke verwundert. Warum sollte ich nicht im Fluss baden? „Aber der ist doch furchtbar kalt!“

 

„Ich bin das gewohnt“, antworte ich einfach auf seinen schockierten Ausruf. Darauf schüttelt er bloß verwundert den Kopf. Anscheinend hat er es aufgegeben, mich zurechtweisen zu wollen.

 

„Auf Wiedersehen Falffân“, verabschiede ich mich von dem doch nicht so üblen Soldaten

 

 „Auf ein baldiges Wiedersehen, Lady Sureto.“

 

Mit El zusammen gehe ich zu meiner Wohnung und hohle mir mein Schwert, meinen Tomahawk, den Knochenbogen und meinen Revolver.

 

„Kannst du mich zum Übungsplatz der Soldaten führen?“, bitte ich das Kind, dieses nickt und rennt los.

 

Nach wenigen Minuten höre ich das Klirren der Schwerter und die Rufe der Zuschauer. Kurz darauf sind wir auch schon angekommen. Ich biege den tiefhängenden Ast beiseite, der uns die Sicht versperrt und wir sehen den Übungsplatz, der sich vor uns ausbreitet. Es ist eine große freie, sandbedeckte Fläche, die von Bäumen vor neugierigen Blicken geschützt wird. In unterschiedlichen Entfernungen sind Zielscheiben aufgestellt und acht Holzpuppen, die gerade von einigen Kriegern mit Schwertern malträtiert werden.

 

Ein Mann, der eindeutig ein Mensch ist, kommt auf uns zu. Er hat sehr kurze dunkelbraune Haare und eine fliehende Stirn, die von mäßiger Intelligenz zeugt.
„Wer bist du Weib?“, verlangt er mit einem arroganten Tonfall zu wissen. „Was wohl?“ Ich deute auf mein Schwert und er beginnt höhnisch zu lachen. „Ein kämpfendes Weib! So etwas kann auch nur diesen verrückten Elben einfallen!“ Abfällig spuckt er vor mir aus. Das hätte er besser nicht getan.  Ehe er reagieren kann, ziehe ich meinen Revolver, halte ihn diesem A…loch an die Schläfe und entsichere die Waffe. „Was soll das sein?“, fragt er mich und seine Stimme hat einen leicht verunsicherten Klang. Mit einer einzigen Bewegung schwinge ich die Pistole zur Seite und drücke ab. Ich habe eine der Zielscheiben genau in der Mitte getroffen. Einige der Elben schreien von dem lauten Knall erschreckt auf.

 

Das ist ein Revolver“, antworte ich ihm dann kalt und spucke ihm mitten ins Gesicht.“ Ein Murmeln geht durch die Reihen der Zuschauer. „Dafür verlange ich Genugtuung!“,  zischt er mit vor Zorn rotem Gesicht und zieht sein Schwert. Mit einem „Kannst du haben!“ tue ich dasselbe und gehe in die übliche Ausgangsstellung.
Er holt weit für einen wuchtigen Schlag auf meinen Kopf aus. Wahrscheinlich hat er vor, mich mit der Wucht des Schlages zu entwaffnen, wenn ich blocke. Doch statt zu blocken, mache ich einen Schritt auf ihn zu, so dass er mich nicht mehr erreichen kann. Von der Wucht seines eigenen Hiebs mitgerissen taumelt er, und ich nutze die Gelegenheit und verpasse ihm einen deftigen Kinnhaken. Benommen taumelt er kurz und setzt dann wütend zu einem Stich in den Bauch an. Geschmeidig weiche ich mit einer Drehung aus und ramme ihm in derselben Bewegung den Schwertknauf an die Schläfe. Lautlos sackt er in sich zusammen und bleibt bewusstlos liegen. Verächtlich stoße ich ihn mit der Fußspitze an. Arrogant, schlechter Kämpfer und was-weiß-ich noch was.

 

„Danke, dass ihr ihm mal gezeigt habt, dass er sich nicht alles erlauben kann“, spricht mich einer der Krieger an.

 

„Warum habt ihr es nicht selbst getan?“

 

„Lord Elrond hat es uns verboten. Warum weiß ich nicht“, antwortet einer der anderen auf meine Frage. „Wollt ihr mit uns trainieren?“, fragt mich der, der als erster gesprochen hat. Er ist schlank und hat sonnenfarbene Haare. In seinen eisblauen Augen blitzt jugendlicher Schalk. Er wirkt sehr freundlich.

 

„Sehr gerne. Ich bin Sureto. Und – darf ich euch duzen?“

 

„Klar. Ich bin Lirulin (Lerche) Und der da“ – er deutet mit dem Kopf auf den Besiegten, der gerade wieder zu Bewusstsein kommt und sich stöhnend und fluchend den Kopf hält – „heißt Ulrich. Keiner von uns weiß genau, woher er kommt. Irgendwo aus dem Osten, sagt er. Die Menschen, die hier leben, sind nicht so. Auch nicht jene aus Rohan, Gondor oder Rhovanion.“

 

Lirulin führt mich etwas herum. Es stellt sich auch bei einigen Übungskämpfen heraus, dass er ein ausgesprochen guter Schwertkämpfer ist und auch hervorragend mit dem Bogen umgehen kann.

 

„Was ist das für eine merkwürdige Waffe?“, fragt er mich irgendwann und deutet auf den Revolver. So kommt es, dass er mich stundenlang darüber ausfragt und ich ihm erlaube, einmal zu schießen. Er trifft zwar nur den äußersten Rand der Zielscheibe, doch er ist trotzdem begeistert.

 

Irgendwann, ich weiß nicht wie, kommen wir auf den Wolf zu sprechen und beschließen morgen gemeinsam nach seinen Spuren zu suchen. Heute machen wir einen kurzen Ausritt. Die Idee kam von ihm, doch ich bin sofort einverstanden. Fröhlich plaudernd schlendern wir in Richtung Stall.

 

„Du hast ein schönes Pferd. Wie heißt er?“, während er spricht, streckt er lockend eine Hand aus. Sofort reiße ich seine Hand weg. Keinen Moment zu früh. Da, wo eben noch seine Hand war, schnappen Schotakers kräftige Kiefer zusammen. Erschreckt schreit Lirulin leise auf. „Ja, Schotaker ist wirklich sehr schön, aber eben auch sehr wild“, kommentiere ich das Ganze gelassen. Mustang eben.

 

„Wo ist dein Pferd?“

 

Statt zu antworten geht Lirulin zwei Boxen weiter zu einem großen, eleganten Rappen mit einem weißen Stern auf der Stirn, der ihn mit einem sanften Schnauben begrüßt. „Das ist Tinu. Er ist übrigens nicht bissig“, fügt er als Seitenhieb auf Schotaker hinzu, doch ich nehme es ihm nicht übel, sondern streiche dem sanftem Hengst leicht über die Stirn, was mit einem zufriedenen Grummeln und einen leichten Anstupsen quittiert wird. Leise lache ich.

 

„Wo ist dein Sattelzeug?“, fragt mich er stolze Besitzer Tinus, der gerade mit Sattel und Zaumzeug auf dem Arm aus einem kleinen Nebenraum, augenscheinlich der Sattelkammer, kommt. „Ich reite immer ohne. Schotaker würde es mir nie verzeihen, wenn ich versuchen würde, ihn zu satteln“, antworte ich und ernte einen erstaunten Blick. Ich zucke mit den Achseln und lasse Schotaker aus der Box. Seine Zügel sind einfach am Unterkiefer festgebunden und dort mit einem Gehänge aus Adlerfedern verziert. Geschmeidig schwinge ich mich auf seinen blanken Rücken und reite, dicht gefolgt von Lirulin auf Tinu aus dem Stall. Kaum sind wir außerhalb von Imladris, treiben wir die Tiere zu einem scharfen Galopp an. Lachend und jauchzend reiten wir so eine Weile, wobei ich Schotaker immer wieder zügeln muss, damit Tinu hinterher kommt.

 

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