Kapitel 27

Der Fluch des Weines

 

Entspannt lehne ich mich auf dem weichen Diwan in dem Talan zurück, den sich Haldir mit Rúmil und Orophin  – ebenfalls sein Bruder, er ist etwa so alt wie Aurora – teilt. Haldir hat sich als überraschend umgänglich erwiesen und ich habe mich daher erweichen lassen, ihn doch mal mit dem Revolver schießen zu lassen. Er war begeistert, auch wenn seine Haltung fatal war. Er hat die Ellenbogen durchgedrückt, weshalb das Gelenk den enormen Rückstoß hatte abfedern müssen, zudem hat er sich nicht nach vorn gebeugt und ist deshalb beinahe nach hinten umgekippt.
Träge schwenke ich das Weinglas. Der Wein aus Gondor hat sich – obwohl ich keineswegs ein Weinkenner bin – als überaus wohlschmeckend erwiesen. Von den Aromen, von denen mir Haldir vorgeschwärmt hat (feine Röstaromen,  schwarzen Johannisbeeren und grüne Paprika) schmecke ich jedoch nichts, es schmeckt eben einfach nach Wein.

 

 „Na komm Orophin, iss deinen Salat, er  schmeckt gut“, sagt Haldir beinahe flehend
„Nein! Er ist eklig.“ Orophin rümpft das Näschen und verschränkt bockig die Arme vor der Brust.

 

Ich trinke noch einen Schluck, dann beuge ich mich vor und stelle das halbvolle Glas auf den niedrigen Tisch, der beinahe darum bettelt, dass man die Füße auf ihn legt.
Ich tue ihm den Gefallen und beobachte aus halbgeschlossenen Augen, wie Haldir mit Engelsgeduld und Engelszungen versucht, Orophin zum Essen zu bewegen. Schließlich wirft er frustriert die Arme hoch, stapft quer über den Talan und lässt sich bar jeder elbischen Eleganz neben mir auf den Diwan plumpsen.

 

 „Es ist nicht zu fassen, wie stur dieses Kind ist!“, schimpft er leise. Ich nicke. Dabei muss ich an Aurora denken, die in diesem Fall ein vorbildliches Kind ist. Ich schätze, dass Orophin in etwa demselben Alter ist, allerdings verhält sich Aurora im Gegensatz zu ihm eher wie eine Siebenjährige, denn eine Fünfjährige. Ich spüre Stolz auf mein kleines Mädchen in mir aufwallen.

 

 „Ich verstehe dieses Kind nicht, gestern noch hat er Salat geliebt und jetzt weigert er sich, ihn zu essen!“

 

Rúmil grinst breit, anscheinend ist er der Grund für die Aversion des Kindes gegen Salat. Ich werfe ihm einen strafenden Blick zu, der jedoch misslingt, da ich ein Lachen unterdrücken muss. Haldir bekommt davon nichts mit, er ist zu beschäftigt damit, weiterhin vor sich hin zu grummeln.

 

Augenrollend beschließe ich, ihm zu helfen und stehe mit einem bedauernden Laut auf. Ich wäre gerne noch etwas sitzen geblieben.

 

 „Hey Phini, warum isst du denn nichts?“, frage ich ihn mit meiner „Kinderstimme“.
„Es is eklig!“

 

„Woher willst du das denn wissen? Du hast doch noch gar nicht probiert“, versuche ich es mit Logik. Was jedoch mit einer geballten Ladung Kinderlogik beantwortet wird: „Es ist grün und grün ist giftig“

 

Hinter mir verschluckt sich Rúmil fast vor Lachen. Ich sehe ihn scharf an, dann wende ich mich wieder Orophin zu. Auch wenn ich die Antwort schon kenne – beziehungsweise vermute zu kennen – frage ich: „Wieso glaubst du denn, dass grün giftig ist?“ Und richtig: „Rúru hat das gesagt.“ Nun geht auch Haldir ein ganzer Kronleuchter auf. Wütend funkelt er Rúmil an, was dieser mit einem unschuldigen Grinsen beatwortet.

 

Ich wende mich wieder Orophin zu. „Grüne Sachen sind gesund. Rúmil hat nur einen Witz gemacht.“

 

 „Aber nicht alle“, wirft Haldir ein, der scheinbar schon vor sich sieht, wie Orophin Efeu (der überaus giftig ist) isst, weil er grün ist.

 

 „Das stimmt, es gibt auch grüne Sachen die giftig sind, aber Salat gehört nicht dazu. Schau!“ Zur Bestätigung stibitze ich ein Salatblatt von seinem Teller und esse es. „Siehst du? Nicht giftig“

 

Vorsichtig probiert nun auch Orophin. „Stimmt“, stellt er erstaunt fest, nur um dann mit plötzlichem Heißhunger über den Salat herzufallen.

 

Erleichtert lasse ich mich wieder auf den pastellfarbenen Diwan fallen. „Danke“, sagt Haldir leise und schenkt sich ebenfalls ein Glas Wein ein.

 

„Gern geschehen“ erwidere ich mit einem leichten Lächeln. „Übrigens, ich habe nichts dagegen, geduzt zu werden.“  Die Aufforderung dahinter ist eindeutig. „Gut, für mich gilt dasselbe“, kommt auch prompt die Antwort. Grinsend hebe ich mein Glas und er stößt an. Leise klirren die Gläser. Mit zwei tiefen Schlucken leere ich das Glas. Beinahe muss ich husten, so sehr brennt der Wein in der Kehle. Haldir trinkt wesentlich langsamer und schenkt uns beiden dann nach.

 

 „Kann ich noch mehr haben?“, fragt Orophin mit vollem Mund.

 

 „Natürlich.“ Sofort springt Rúmil auf.

 

 „Du hast Glück, zwei so nette Brüder zu haben“, sage ich nachdenklich zu Haldir.

 

 „Hmh, manchmal nerven sie aber auch. Hast du auch Geschwister?“

 

Ich seufze traurig. „Ich hatte einen Bruder, aber der ist schon lange vor meiner Geburt gestorben. Ein Reitunfall. Er war zehn.“

 

„Tut mir leid“ beschämt sieht er in die roten Tiefen seines Glases. Ich lege ihm die Hand auf die Schulter und lächle leicht, wenn auch melancholisch. Erstaunt sieht er auf. Wieder einmal fällt mir auf, wie ungewöhnlich eisblau seine Augen sind, mit leichten dunkelblauen Sprenkeln um die Pupille. „Das muss es nicht. Ich habe ihn ja nicht einmal gekannt. Mach dir keine Vorwürfe.“ Er lächelt ebenfalls leicht.

 

Ich lehne mich wieder zurück und sehe mit in den Nacken gelegtem Kopf hinauf zu den goldenen Blättern, denen der Goldene Wald seinen Namen verdankt. Hin und wieder spitzt ein Stück blauer Himmel zwischen den sich im lauen Wind bewegenden Blätter hindurch.

 

 „Es ist schön hier“, meine ich leise. Eine sachte Brise spielt mit meinen kohlrabenschwarzen Haaren, die manchmal beinahe bläulich wirken.

 

Haldir brummt zustimmend. „Weiter oben ist es noch schöner. Man kann hier bis in die obersten Äste klettern. Von dort aus  kann man auf ganz Lórien hinabsehen. Wenn ich allein sein will oder Zeit zum Nachdenken brauche, gehe ich manchmal dort hin.“ Erst nach einigen Augenblicken bemerkt er, dass er mir etwas ziemlich Privates anvertraut hat. Er wird rot. „Entschuldigung. Ich… ich sollte jetzt besser gehen…“ Hastig will er aufstehen, doch ich hindere ihn daran, indem ich ihn an seiner Tunika festhalte. „Neben dem größten Wasserfall von Imladris gibt es eine schmale Treppe. Immer wenn ich allein sein oder einfach nur etwas lesen will, gehe ich dort hinauf und setze mich dann oberhalb des Wasserfalls hin.“ Erstaunt sieht er mich an. Ich lächle leicht

 

Ich ziehe nochmals leicht an seiner Tunika und diesmal setzt er sich hin.

 

Wir sehen Rúmil zu, wie er versucht, Orophin das Alphabet beizubringen. „Nein, versuch es noch mal.“ „Ich kann das nicht!“ Kleine Tränen treten in Orophins Augen, die – genau wie seine Haare - Haldirs zum Verwechseln ähneln. „Natürlich kannst du das. Du musst es nur wollen.“ Wieder einmal bin ich erstaunt, wie unglaublich liebevoll sie mit ihrem jüngsten Bruder umgehen.

 

„Wo sind eigentlich eure Eltern?“ Beinahe sofort bereue ich diese Frage gestellt zu haben. Ein trauriger Ausdruck tritt in Haldirs Augen. Rúmils kann ich nicht sehen, da er sich wieder Orophin zugewandt hat und mit leiser, unverkennbar trauriger Stimme auf ihn einredet. Dann steht Rúmil auf, setzt sich Orophin auf die Hüfte und verlässt mit ihm den Talan.

 

So ist es an Haldir, mir zu antworten. „Unser Vater wurde vor drei Jahren bei einem Orkangriff getötet – genau genommen starb er an den Folgen. Es geschah auf dem Rückweg von Imladris. Er gehörte zur Eskortevon Celeborn und Galadriel… Sie hatten nur drei Wächter mitgenommen, dachten es wäre sicher.“ Er schnaubt ungläubig über die Naivität des Lords und der Lady von Lórien. „Der Angriff kam aus dem Hinterhalt. Unser Vater hat sich vor Galadriel geworfen, er hat sechs für sie bestimmte Pfeile abgefangen. Sie konnten die Orks zurückschlagen – Galadriel und Celeborn sind exzellente Kämpfer. Unser Vater lebte noch als sie hier eintrafen. Er starb drei Tage später an inneren Blutungen – angeblich wurde die Milz verletzt. Mutter starb eine Woche später aus Trauer… Mein Vater war vor mir oberster Wächter Lóriens. Und anders als Rúmil oft behauptet bin ich nicht so streng zu den Kriegern, weil ich glaube, dass sie mich nicht respektieren würden. Ich möchte ein guter Nachfolger für meinen Vater sein und will sein Andenken nicht beschmutzen.“

 

Mitfühlend sehe ich ihn an. „Ich kann mir nicht vorstellen, wie es ist, beide Elternteile zu verlieren und kann daher nicht behaupten, dich zu verstehen, aber es tut mir leid. Und… Orophin ist ein tolles Kind. Ich habe eine Ziehtochter und weiß, wie schwierig kleine Kinder manchmal sind“, lenke ich das Thema wieder auf sicheres Terrain. Er lacht leise, auch wenn sich der traurige Glanz in seinen Augen noch nicht ganz verflüchtigt hat.

 

 „Orophin auf jeden Fall. Ich glaube nicht, dass Rúmil auch so ein Kostverächter war – dafür war kein Baum vor ihm sicher. Orophin ist ruhiger, mehr der musische Typ und nicht so ein Krieger wie Rúmil.“

 

„Aurora ist wie Rúmil. Sie ist schon jetzt mit grade einmal fünf Jahren eine begeisterte Kämpferin.“

 

Er lacht befreit. „Sie könnte Rúmils Schwester sein. Er war – und ist – genauso. Und er hasste Schreiben, Lesen und Musizieren, aber unsere Eltern haben darauf bestanden, dass wir alle ein Instrument erlernen.“

 

 „Was spielst du?“, gehe ich sofort neugierig darauf ein.

 

„Flöte, allerdings mehr schlecht als recht. Spielst du auch ein Instrument?“

 

„Gitarre und auch etwas Flöte und Mundharmonika.“

 

„Was ist eine Gitarre?“ Er tut sich etwas schwer, ‚Gitarre` auszusprechen.

 

„Ein Zupfinstrument. Sie besteht aus einem Kopf, einem Hals und dem Korpus – und natürlich den Saiten. Man könnte sie mit einer Laute vergleichen“, rattere ich eine Begriffserklärung herunter. Er nickt.

 

„Und was spielen deine Brüder?“

 

„Rúmil war dermaßen untalentiert, dass das einzige Instrument mit dem er einigermaßen zurechtkam, die Trommel ist. Es war eine Erleichterung für unsere Ohren, immerhin konnte er beim Trommeln keine falschen oder schiefen Töne fabrizieren. Mich wundert bloß, dass das Fell noch nicht gerissen ist, er hat von Anfang an darauf eingeschlagen, als wäre es sein größter Feind.“ Lachend trinke ich einen weiteren Schluck. Mit Bedauern stelle ich fest, dass das Glas schon wieder beinahe leer ist.

 

„Und da behaupten alle, Elben wären musikalisch.“ Nun lacht auch er und schenkt uns nach, dann sagt er: „Dafür ist Orophin der beste Beweis, eine Stimme wie ein Engel und trifft mit einer Harfe nie einen falschen Ton. Wenn ich da an das denke was Rúmil und ich fabrizieren… eine Zeit lang genügte es, zu sagen, dass wir spielen wollen, um halb Lórien fliehen zu lassen.“ Ein lausbubenhaftes  Grinsen breitet sich in Haldirs Gesicht aus und einen Augenblick erhasche ich einen Blick auf den Elben, der er war, bevor seine Eltern starben. Ich ertappe mich beim Starren und kaschiere es, indem ich einen großen Schluck Wein trinke. Prompt verschlucke ich mich und muss husten.

 

Hilfsbereit klopft mir Haldir auf den Rücken. Dabei fällt mir auf, dass seine Bewegungen leicht fahrig sind. Scheinbar hatte er die Wirkung des Alkohols unterschätzt. Gleichzeitig bemerke ich, dass meine Gedanken träge sind, zähflüssig.

 

„Wie stark ist dieser Wein eigentlich?“ Obwohl ich schon leicht benebelt bin, trinke ich noch einen Schluck.

 

„Weiß nich, zimlich stark glaub ich.“ Er lallt bereits leicht. Obwohl eine Stimme mich davor warnt, gieße ich noch einmal nach. Morgen werden wir eh einen Kater haben, warum nicht gleich richtig. Die stets vernünftige Stimme sagt mir, dass es dumm ist, doch ich ignoriere sie.

 

„Prost!“
„Du weißt, dass das dumm ist?!“, meint Haldir. Ich zucke die Achseln. „Ejal“, auch meine Zunge ist etwas schwer. Ich fange an zu kichern. Haldir fällt mit ein.

 

„Was ist so lustig?“, erklingt Rúmils Stimme von der Treppe aus.

 

„Weiß` nich“, lallt Haldir und lacht so heftig, dass ihm die Tränen kommen. Verwirrt sieht Rúmil ihn an, dann fällt sein Blick auf die fast leere Flasche. Rasch bringt er sie außer Reichweite von Haldir und mir.

 

„Sureto, du hättest dafür sorgen sollen, dass das“, - erst jetzt fällt ihm auf, dass ich mich im selben Zustand wie sein Bruder befinde - „nicht passiert“, endet er resigniert. Ich lache nun auch Tränen und falle fast vom Diwan.

 

Die Sonne geht unter.

 

 „Schön“, kommentiere ich es und bekomme eine neuerliche Lachattacke. Verzweifelt  überlegt Rúmil, was er mir zwei Betrunkenen machen soll, kommt jedoch zu keinem Ergebnis, da Haldir auf ihn zu taumelt und lallt: „Du bist der schlescheste muschika, den isch kenne, weissu.“

 

Reflexartig fängt Rúmil seinen älteren und momentan unzurechnungsfähigen Bruder auf, als dieser über seine eigenen Füße stolpert.

 

Mann, wird der morgen einen Kater haben, ist der letzte klare Gedanke, der mir in den Sinn kommt, ehe die Welt in einem Nebel aus Alkohol versinkt.

 

Dumpf bemerke ich, wie ich auf den Diwan gesetzt werde, mir die Schuhe ausgezogen werden, mein Gürtel gelockert und eine wärmende Decke über mir ausgebreitet wird. Dann geht mein Bewusstsein endgültig flöten.

 

D

 

Mein schmerzhaft pochender Schädel holt mich zurück ins hier und jetzt. Ich stöhne und drehe mich um.

 

„Bist du krank?“, fragt ein unschuldiges Kinderstimmchen. Einen Moment glaube ich, wieder in Imladris zu sein mit Aurora.

 

„Nein, sie ist nicht krank. Sie hat zu viel Wein getrunken und jetzt einen Brummschädel“, antwortet eine andere Stimme. „Ruhe!“, knurre ich und lege mir eines der Kissen über den Kopf, um den Lärm, den die leisen Stimmen für meinen Schädel darstellen, zu dämpfen. Ich hätte nicht so viel trinken sollen. Wie war das? Nie wieder? Das habe ich mir doch letztes Mal geschworen. Hat ja super funktioniert, denke ich sarkastisch.

 

„Selber schuld. Hättest du gestern nicht so viel getrunken, hättest du jetzt keinen Kater“ kommentiert die Stimme, die ich nun eindeutig als Rúmils erkenne, unnötig laut.
„Halt´s Maul“, erklingt eine verkaterte Stimme aus der anderen Richtung.

 

„Aber, aber mein Guter, doch nicht vor dem Kind!“, entgegnet Rúmil darauf. Es macht ihm augenscheinlich einen Mordsspaß, uns zu quälen. Blind taste ich nach einem Kissen und werfe es in seine ungefähre Richtung.

 

„Uh ganz kalt.“ Er lacht.

 

„Klappe!“, nuschle ich ins Kissen und werde von Haldir mit einem „Jetzt halt endlich dein verdammtes Maul!“ unterstützt. Unser gequälter Protest bringt Rúmil zum Lachen.

 

„Hört mal auf zu fluchen oder wollt ihr, dass Orophin sein Vokabular auf diese Art erweitert?“
„Halt die Klappe“, kommt es prompt von eben jenem Elbling.

 

„Seht nur, was ihr angerichtet habt“, jammert Rúmil und rauft sich vermutlich die Haare.
Ich ziehe eine Hand unter der Decke hervor und zeige ihm den schlimmen Finger. Doch es  kommt keine Reaktion.

 

„Is er weg?“, nuschelt Haldir undeutlich in sein Kissen.

 

 „Weis nicht, will die Augen nich auf machen“, antworte ich genervt. Dieser Sch… Brummschädel.

 

„Rúmil bist du da?“ - Keine Antwort. „Gut.“

 

Endlich ist Haldir ruhig. Ich vergrabe mein Gesicht noch etwas tiefer in den weichen Stoff, muss dann aber feststellen, dass ich so keine Luft mehr bekomme.

 

Langsam dringen die typischen Geräusche einer erwachenden Stadt an meine empfindlichen Ohren und sorgen dafür, dass sich der imaginäre Zwerg in meinem Schädel noch etwas mehr anstrengt.

 

Ich fluche – ein Glück, dass Orophin nicht mehr da ist, meine Worte sind definitiv nicht für Kinderohren bestimmt.

 

„Mach ma` einer den Lärm weg“, klagt Haldir.

 

„Geht nich, müssen wohl aufstehn.“ Ich lasse auf meine Worte Taten folgen. Ich schlage de Decke zurück und kneife mit einem gequälten Stöhnen die Augen zu, als mich das gnadenlose Licht der Sonne trifft.

 

„Will nich.“ Ich ziehe auch Haldir die Decke weg. Wie ich hat auch er noch die stark zerknitterte Kleidung von gestern an.

 

Unter lautstarkem Protest – ich hätte nicht gedacht, dass Haldir ein so reiches Vokabular an Flüchen besitzt – steht auch der Hauptmann Lóriens auf, nimmt einen Kamm aus dem Nachtschrank und beginnt die Knoten in seinem Haar zu entwirren. Als er fertig ist, gibt er mir ungefragt den Kamm und stolpert zu der Waschschüssel aus Keramik hinüber, über der ein ovaler Spiegel befestigt ist.
„Bei den Valar“, entfährt es ihm entsetzt, als er sein Gesicht sieht. Verständlich, seine Augen sind trüb, seine Haut ungesund bleich und Augenringe bis zu den Kniekehlen.
Ich bin nun auch fertig mit meinen Haaren und gehe zu ihm hinüber. Ich dränge ihn zur Seite und klatsche mir etwas kaltes Wasser ins Gesicht. Ich schüttle mich. Dann nehme ich das Handtuch und trockne mir das Gesicht ab. Die ganze Zeit achte ich sorgfältig darauf, nicht in den Spiegel zu sehen.

 

Gemeinsam gehen wir zu der Treppe. Bei der dritten Stufe stolpere ich und nur Haldirs beherztes Zugreifen verhindert, dass ich den Weg bis zum Waldboden im freien Fall zurücklege.

 

Wie sagt mach so schön: Der Tag verlief gut, doch dann stand ich auf.

 

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