Kapitel 2

Die schöne Frau

 

„Guten Abend“, machte sich die hübsche Kellnerin bemerkbar. Ein hübsches junges Ding mit kastanienbraunem Haar und großen Augen, die sogar noch rot geworden war, als Lasterbalk seinen Orgasmus bestellt hatte. „Wünschen die Herren zu bezahlen?“

 

Frank war irritiert - seit wann kamen die Bardamen in einer Kneipe zu den Kunden, um das Geld einzufordern? Einen Moment später begriff er und grinste in sich hinein. Wann seine Kollegen wohl begreifen würden? Sie waren zwar noch lange nicht besoffen, aber doch schon gehörig angeheitert – und Alea war zu sehr mit keuchen beschäftigt, während der Rest der Dame auf den Busen starrte, der wirkte, als würde er jeden Moment aus dem viel zu freizügigen Dekolleté hüpfen.

 

Die Dame bemerkte natürlich die Blicke und wurde rot. Unterdessen wurde Lasterbalk bewusst, dass das arme Ding ja immer noch auf eine Antwort wartete. „Nein Danke, junge Dame. Wir würden lieber noch einmal bestellen, wenn wir fertig sind, natürlich.“

 

„Natürlich“, die Dame lächelte gezwungen. „Ich kann ihnen für einen weiteren Drink dass Steinwerk nebenan empfehlen.“

 

„Ach nee, hier gefällt’s uns“, strahlte Luzi. „Die Drinks sind klasse, der Laden ruhig und der Busen hübsch.“

 

Ein Moment des Schweigens, dann formten Luzi´s Lippen ein: „Oh“ Erneute Heiterkeit unter den Spielmännern, nur Jean erhob sich und entschuldigte sich mit so viel Charme bei der Dame für Luzis Benehmen, wie er nur aufbringen konnte. Sie wurde rot. Süß, fand Jean und fragte sich, ob sie bei dem, was er mit ihr vorhatte auch so rot werden würde.

 

Die Bedienung lachte nervös und erklärte: „Wir schließen leider bald, ich kann da leider nichts für sie tun.“

 

„Hä?“, machte Till. „Da steht doch, dass ihr bis um drei geöffnet habt!“

 

„Jaaa, also, das ist so…“, druckste die Dame herum, doch Frank unterbrach sie: „Sie versucht uns grade höflich klar zu machen, dass wir verschwinden sollen, ihr Ochsen!“

 

„Ach soo“, begriff Lasterbalk. „Dass das alle so kompliziert machen müssen. Können die nicht einfach sagen, dass wir uns verpissen sollen? Immer so ein kryptisches Geschwafel und dann erwarten sie auch noch, dass man das versteht.“

 

Er erhob sich und zog Alea ebenfalls hoch. “Kommt Jungs, gehen wir in dieses Steinwerk - schlimmer als das Erste kann es ja wohl kaum werden”, sprachs und zog marschierte drauflos, Alea hing noch an seinem Arm und machte keinen Anstalten, von ihm abzulassen. Lasterbalk störte es nicht.

 

So verließen sieben der acht Spielleute von Saltatio Mortis die russische Bar. Der achte, genannt Jean Méchant der Tambour, blieb zurück und flirtete mit der Bardame, die keineswegs abgeneigt zu sein schien.

 

Die anderen fanden unterdessen das Steinwerk, wo sie beschlossen, dass sie genug Cocktails hatten und es nun an der Zeit sei, richtig anzufangen. Sie bestellten eine Runde Gin, dann Wodka und noch ein paar Kurze, ehe sie sich dazu entschieden, zu gehen. Der Besitzer hatte ihnen schon seit einer Weile böse Blicke zugeworfen und sie wollten kein zweites mal rausgeschmissen werden, nur weil sie spaß hatten. Als Spielmann war man eben manchmal ein bisschen laut und als betrunkener Spielmann sogar noch lauter, warum verstand das niemand außerhalb vom MPS?

 

Sie verließen das Steinwerk in dem Wissen, dass es wohl das letzte mal gewesen war, dass sie den Unmut des Besitzers bemerkt hatten. Nur Frank würde es mit Sicherheit bemerken und der würde es ihnen nicht sagen, sondern lieber aus sicherer Entfernung ihren Rauswurf filmen.

 

Unterwegs verloren sie Till und Elsi, wohin erfuhren sie, als sie die nächste Kneipe fanden, und plötzlich die Bongotrommeln zu spielen begannen, die ankündigen, dass Lasterbalk eine neue Nachricht bekommen hatte. Er zog sein Handy heraus und las vor: „Till hat Elsi wieder zum Proberaum gebracht. Oh und Elsi hat auf Aleas Dudelsack gekotzt.”

 

„Waas?”, schrie der Geschädigte empört. „Ich hoffe für ihn, dass er das auch wieder sauber macht, sonst kann er was erleben!” Erstaunlicherweise war das leichte Lallen Aleas nun gänzlich verschwunden, er war wohl spontan nüchtern geworden.

 

„Ach komm”, wiegelte Luzi grinsend ab. „Als ob es das erste Mal wäre, dass jemand auf deinen Sack kotzt”

 

„Nur ich darf das!”

 

„Ernsthaft?”, lachte Lasterbalk „du hast mal auf dein Instrument gereiert?”

 

„Nur ein mal…”

 

Wieder wurden Tränen gelacht und die lustige Truppe zog weiter. Ein Spielmann nach  dem anderen ging verloren, bis nur noch Lasterbalk und Alea übrig blieben. Sie hoben die Gläser und stießen an. Dann geschah etwas Merkwürdiges. Lasterbalk verschwand plötzlich und an seine Stelle trat eine hoch gewachsene Frau mit ausdrucksstarkem Gesicht und endlos langen Beinen.

 

Alea reagierte instinktiv und begann aufs Heftigste mit ihr zu flirten. Die Dame schien kurz irritiert, zuckte dann die Achseln und Flirtete zurück. Alea gab ihr einen aus und ließ seinen Blick über ihren Körper geleiten. Sie war interessant, hatte jedoch keinen sonderlich femininen Körper. Der Busen war flach und die Hüften Knabenhaft schmal, doch Alea hatte diese Art von Frauen immer gemocht. Sie waren es gewohnt, ihren Verstand einsetzen zu müssen, statt einfach nur den Busen rauszustrecken und mit dem Arsch zu wackeln. Und vor allem mochte er die Stimme der Frau. Sie war tief, ein wenig heiser und gab ihm ein Gefühl von Geborgenheit. Er stützte den Kopf auf, sah sie an und lauschte ihrer Stimme.

 

In nüchternen Zustand wäre ihm die Stimme wohl sehr Tief für eine Frau erschienen, doch wenn er betrunken war, verließ er sich auf ein simples Beuteschema: Alles mit langen Haaren war weiblich und daher potentielle Beute, alles mit kurzen Haaren war männlich und wurde darum in Frieden gelassen. Die Person vor ihm hatte lange Haare und war folglich weiblich.

 

Nach einer langen, interessanten Unterhaltung, die für sein alkoholvernebeltes Hirn eigentlich viel zu anspruchsvoll war, erhob sich Alea schwankend und überbrückte den Abstand zwischen ihnen. Fast schon zögerlich Küsste er sie. Einen Augenblick lang reagierte sie nicht, überrascht zu sein, dann erwiderte sie den Kuss feurig.

 

Obwohl Alea bereits die Muskelstränge an ihren Armen bemerkt hatte, war er von der Kraft überrascht, mit der er an ihren festen Körper gepresst wurde.

 

Eine heftige Knutscherei entwickelte sich und endete erst, als sie kurz von ihm abließ, um zu fragen: „Gehen wir zu mir?“

 

„Ja“, keuchte Alea und sie taumelten aus der Bar und liefen, sich immer wieder küssend den viel zu weiten Weg bis zum Apartment der Frau. Irgendwie schafften sie es die Treppen hinauf und fielen aufs Bett. Ihre Kleidung hatten sie sich gegenseitig auf dem Weg zu ebendiesem vom Leib gerissen und in der ganzen Wohnung verteilt.