Kapitel 49

Wölfische Probleme und ein Puma

 

Gemeinsam mit Falffân und Nethbrethil bilde ich die Vorhut. In raschem Trab, manchmal auch Galopp, reiten wir etwas vom Heer entfernt und halten Ausschau nach eventuellen Gefahren. Eine davon lässt nicht lange auf sich warten. Etwas kommt auf uns zu. Es ist zu weit entfernt, um erkennen zu können, wer oder was es ist.

 

Nach einer ganzen Weile kann man einzelne Gestalten erkennen. Ein Heer.

 

„Nethbrethil!“, rufe ich zu dem in einiger Entfernung reitenden Elben herüber. Dieser reitet sofort näher heran. „Reite zurück. Ein Heer kommt direkt auf uns zu, sie benutzen die alte Wandstraße.“

 

Ein knappes Nicken und fort ist er.

 

„Falffân, wir reiten näher heran.“ Mit leichtem Zweifel sieht dieser mich an. „Hältst du das für klug? Ich meine das da ist eine ganzes Heer und wir sind nur zu zweit. Meinst du nicht, dass - “

 

Ich hebe eine Augenbraue. „Nur um das festzuhalten – ich bin die Zweite Heerführerin und gebe dir einen direkten Befehl und du weigerst dich?!“ Er wird bleich: „Ich – ich -“ „Hör auf zu stottern“, winke ich ab. „Es ist gut, dass du nicht immer blind gehorchst, schließlich kann auch jemand, der in der Rangordnung über dir steht, Fehler machen. Pass aber auf, wem du so offen widersprichst, nicht jeder sieht das so wie ich.“

 

Erleichtert atmet er auf. „Dennoch werden wir da jetzt näher heranreiten – zumal ich nicht allzu naj heran will, nur so, dass wir das Banner erkennen können.“

 

Dieses Mal widerspricht Falffân mir nicht, sondern drückt seinem Pferd die Hacken in die Seite. In zügigem Galopp reiten wir auf das Heer zu.

 

Ruckartig zügle ich Schotaker. Das hatte ich, warum auch immer, nicht erwartet.

 

Falffân reagiert nur Augenblicke später und lässt seine Stute zu mir zurück traben. „Was ist?“

 

„Wer hat ein grünes Banner?!“ „Oropher!“

 

„Ganz genau. Der Oropher, dem wir zig Briefe geschickt haben und der Oropher, der keinen einzigen davon beantwortet hat. Bei Wakan Tanka, nicht einmal dem Boten, den wir ihm ganz zu Beginn, noch bevor Gondor angegriffen hatte, geschickt haben, hat er eine Nachricht mitgegeben. Sie haben ihn zusammengeflickt und zurückgeschickt. Jetzt können wir drei Jahre Planung über den Haufen werfen!“, mache ich meinem Ärger Luft.

 

„Hey, jetzt beruhig‘ dich mal“, versucht mich Falffân zu beschwichtigen.

 

„Oropher hat ein riesiges Heer und im Kampf gegen Sauron ist jeder Mann  - und jede Frau – Gold wert!“

 

„Dessen bin ich mir durchaus bewusst. Und ich bin dankbar, dass er gekommen ist. Dennoch hätte er uns mitteilen müssen, dass er sich ebenfalls am Kampf gegen Mordor beteiligt. Wir hätten ihn in unsere Planungen einbeziehen können.“

 

Falffân hat mich in den letzten Tagen, in denen wir das Nebelgebirge überquert haben, gut genug kennengelernt, um mir jetzt nicht zu widersprechen und so wendet er einfach seine Stute und reitet zurück. Ohne meine Tirade zu unterbrechen, lasse ich Schotaker ebenfalls zurück galoppieren. Insgeheim bewundere ich Falffâns Geduld, auch wenn ich mir sicher bin, dass er mir schon seit einer Weile nicht mehr zuhört. Lirulin hätte mir schon längst einen Schlag auf den Hinterkopf verpasst und gesagt, ich solle die Klappe halten. Zugegeben, ich an seiner Stelle hätte nichts anderes getan.

 

Als wir in Hörweite des Heeres kommen, beschließe ich dann doch, jetzt besser den Mund zu halten – auch wenn ich weiß, dass Gil-galad nicht unbedingt gut auf den Waldkönig zu sprechen ist. Wie nannte er ihn noch gleich, als nach der sechsten Nachricht immer noch keine Antwort kam? Ich glaube es war ignoranter, engstirniger Bastard oder so ähnlich.

 

Hoffentlich sind die beiden vernünftig genug, um ihre …ähm… Differenzen, vorsichtig ausgedrückt, hinten anzustellen.

 

Denn so sehr ich mich auch über Oropher ärgere - ich bin erleichtert, dass er uns unterstützt. Ich habe an unseren Chancen ohne ihn starke Zweifel gehabt, aber wir hatten die Wahl zwischen nichts tun und auf jeden Fall sterben oder kämpfen und höchst wahrscheinlich sterben. Da bei letzterem zumindest eine geringe Chance bestand zu überleben, entschieden wir uns für diese Option. Und dank Oropher sind diese Chancen jetzt um einiges gestiegen.

 

„Und, was ist es?“, fragt mich Gil-galad, kaum, dass ich bei ihm angekommen bin. „Euer Krieger konnte uns nicht mehr sagen, als das etwas auf uns zukommen würde.“ Ich ignoriere den unterschwelligen Ärger in seiner Stimme. „Es ist Oropher mit seinem Heer.“

 

Das darauffolgende Mienenspiel des Königs rät mir, mich aus dem Staub zu machen, und wer bin ich, dass ich einen solchen Rat nicht befolgen würde? Und so bin ich schon ein Stückchen entfernt, als die königliche Tirade, gespickt mit zahlreichen Beleidigungen, beginnt.

 

„Oh man, was hast du gesagt, dass Gil-galad so wütend ist?!“, fragt mich eine Stimme, die ich unzweifelhaft als die Lirulins identifiziere. Ich reihe mich neben ihm ein. „Naja also… du erinnerst dich vielleicht, dass Gil-galad nicht der einzige Elbenkönig ist…“ Genervtes Augenrollen. „Komm zum Punkt!“

 

„Wie der Herr befiehlt. Also besagter anderer, wenn man Ereinions Worte trauen kann, überaus reizende, König ist grade auf dem Weg hierher – und anscheinend werden wir auf ihn warten“, setze ich hinzu, als der  Befehl durch die Reihen geht, ein Lager aufzuschlagen.

 

Es geht schnell, die Zelte aufzubauen, und so sitzen wir nur wenig später auf unseren „Betten“, die im Grunde genommen nur einige aufeinander gelegte Decken und Felle sind.

 

Ich teile mir ein Zelt mit Mallanglîn, Lirulin, Tokei-ihto und zwei weiteren Elleth (Elbinnen). Dementsprechend ist es recht eng. Ich lege die Satteltaschen und den Sattel bei meiner Schlafstatt ab und schiebe die Plane zur Seite, um das Zelt zu verlassen, als mich eine Stimme zurückhält: „Wo willst du hin, Micunksi (meine Tochter, Dakota Dialekt)?

 

Leicht amüsiert drehe ich mich um, ohne die Plane loszulassen. „Raus, wohin sonst?“
„Dessen bin ich mir bewusst.“

 

Nun verdrehe ich die Augen. „Ahte (Vater) ich bin erwachsen, ich kann gehen, wohin ich will. Aber falls es dich beruhigt, ich wollte zu Glorfindel.“ Ich schlüpfe nach draußen, ehe Tokei-ihto eine Chance hat, mich aufzuhalten. Väter!

 

Nun, da ich draußen bin, fällt mir auf, dass ich gar nicht weiß, wo das Zelt von Glorfindel überhaupt steht. Aber er wird in der Nähe, wenn nicht sogar im gleichen Zelt wie Elrond sein. Und eines haben alle Feldlager gemeinsam – das Befehlszelt, beziehungsweise die Befehlszelte, befinden sich in der Mitte, die anderen darum herum.

 

Tatsächlich finde ich im Zentrum des Lagers wie erwartet das Zelt, das sich Gil-galad und Elrond teilen. Daneben entdecke ich das Zelt von Elendil und seinen Söhnen. Da ich kein Zelt sehen kann, das Glorfindel gehören könnte – seines ist in grün und gold gehalten, den Farben seines früheren  Hauses in Gondolin, gehe ich einfach davon aus, dass er sich das Zelt mit Elrond und Gil-galad und vielleicht auch Erestor teilt.

 

Vor dem Zelt des Königs steht Heledir wache. Mit einem freundlichen Lächeln gehe ich auf ihn zu. „Gen Suilon, (informell ich grüße dich) Heledir.“
Mae Govannen, Sureto. Wieso bist du hier?“

 

„Könnte es nicht sein, dass ich mich einfach mit dir unterhalten wollte?“

 

„Unwahrscheinlich. Also, was führt dich her?“ Heledir wie wir ihn kennen und lieben. Emotionslos, kühl und direkt –wobei ich gegen letzteres nicht das Geringste einzuwenden haben, nur, dass er mir das Gefühl gibt, meine Gedanken lesen zu können, stört mich gewaltig.

 

Ich suche Glorfindel. Ist er da drin?“ Ich zeige auf das Zelt, er nickt und steckt den Kopf in das Zeltinnere. „Hîr Glorfindel (Lord Glorfindel) Sureto möchte euch sprechen“, höre ich ihn sagen. „Augenblick.“ Wenig später kommt Glorfindel aus dem Zelt.

 

„Was möchtest du?“ Ich gebe ihm mit einem leichten Wink zu verstehen, mich etwas zu begleiten.

 

Als ich sicher bin, das Heledir uns nicht mehr hören kann – nicht, dass ich ihn verdächtigen würde, andere Leute zu belauschen, aber sicher ist sicher – sage ich: „Es geht um Erestor.“ Er will etwas sagen, doch ich hebe die Hand, um ihn zum Schweigen zu bringen. „Ich weiß schon lange von seiner…Begabung. Deshalb wollte ich anbieten, Wache zu stehen. Er könnte so unbemerkt das Lager verlassen, allerdings wäre es auffällig, wenn ich jede Nacht Wache stehen würde.“ Ich hole tief Luft. „Wer weiß noch davon?“

 

Mit tellergroßen Augen starrt Glorfindel mich an. Inzwischen haben wir das Lager verlassen und ich lehne mich mit dem Rücken an einen Baum.

 

„Du- - Du weißt es? Wie lange schon? Hast du es irgendjemandem gesagt?“ Entgeisterung und etwas Panik schwingen in seiner Stimme mit.

 

Ich lächle geheimnisvoll. „Ich weiß es seit einigen Jahren, schon bevor ich als Bote losgeritten bin. Und auch schon davor habe ich etwas in der Art vermutet.“

 

Nun ist Glorfindel noch verwirrter aus vorher: „Wie konntest du so etwas vermuten? Es ist ja schließlich nicht alltäglich, dass ein Elb sich in einen Wolf verwandeln kann!“

 

Ich stoße mich von dem Baum ab und gehe weiter. In der Ferne wird das Heer der Waldelben immer größer. In weniger als einer Stunde, schätze ich, werden sie hier sein.
„Ist es nicht“, stimme ich Glorfindel nach einigen Sekunden des Schweigens zu. „Die Fähigkeit, die Gestalt eines Tieres – in den meisten Fällen das eines Raubtieres – anzunehmen-“

 

„In den meisten Fällen?“, echot Glorfindel ungläubig und bleibt stehen. „Ja, und ich fände es schön, nicht andauernd unterbrochen zu werden.“ Glorfindel muss einige schnelle Schritte machen, um mich wieder einzuholen, da ich nicht auf ihn gewartet habe. Inzwischen haben wir den Anduin erreicht. Ich springe den leichten Hang hinunter auf den sandigen Uferstreifen und gehe ganz nahe am Wasser entlang. Notgedrungen folgt mir Glorfindel.

 

„Wo war ich? Ach ja. Die Fähigkeit, die Gestalt eines Tieres anzunehmen, war eigentlich nicht als Fluch, sondern eher als Waffe gedacht. Bloß wurde es bei Erestor als Fluch verwendet. Ich kenne den Schamanen, der das tat gut. Ich habe mich als… Versuchskaninchen zur Verfügung gestellt, als er die Idee dazu hatte. Bei mir ist es allerdings etwas anders.“

 

Nun packt mich Glorfindel  beinahe schon grob am Arm. Reflexartig ramme ich ihm den anderen Arm zwischen die Rippen und reiße mich los.

 

„`tschuldigung“, nuschle ich beschämt. Er schüttelt den Kopf und ruft ungläubig: „Du auch? Du… du kannst ich in einen Wolf verwandeln? Wie Erestor?!“

 

„Nein, nicht wie Erestor.“

 

Ich ziehe die Kette mit meinem Totem, den aus schwarzem Eisen gearbeiteten Puma, unter meiner Tunika hervor.

 

„Erstmal, ist es bei mir kein Wolf, sondern ein schwarzer Puma. Außerdem muss ich nicht die Gestalt wechseln. Und es hängt an dem Totem. Das war aus Sicherheitsgründen. Wenn etwas schiefgegangen wäre, hätte ich einfach nur die Kette abnehmen müssen – theoretisch zumindest. Ich will nicht wissen, was praktisch alles hätte schiefgehen können…“

 

Und ich muss bei der Gelegenheit feststellen, dass ich das Ganze doch noch nicht so gut unter Kontrolle habe, wie ich dachte – das Ende meines Satzes wird zu einem unartikulierten Grollen. Das ist das Problem an der Sache: ich habe mich in Gedanken zu sehr auf diesen Puma konzentriert, vielleicht sollte ich dem Schamanen mal sagen, dass er daran noch arbeiten könnte.

 

Glorfindel jedenfalls hat einen ordentlichen Schrecken bekommen – wobei mir noch ein kleiner Vorteil einfällt, den ich Erestor gegenüber habe. Keine Ahnung, was mit meiner Kleidung passiert, aber ich stehe nach einer Verwandlung nicht nackt da.

 

Rasch nehme ich wieder meine richtige Gestalt an und muss mit ansehen, wie Glorfindels Augen sich nach hinten verdrehen und er umkippt. Das war wohl zu viel gewesen für den Guten. Als ich versuche ihn aufzufangen, muss ich feststellen, dass er weitaus schwerer ist als ich erwartet hatte.

 

Nach einigen festen Klapsen auf die Wange ist er wieder wach, richtet er den Oberkörper halb auf und schaut mich verstört an: „Das war ein Traum, oder?!“

 

„Tut mir Leid, mellon nin, aber nein.“

 

Er lässt sich wieder zurück fallen und stöhnt leise: „Warum immer ich?“

 

Ich räuspere mich. „Ich will dich ja nicht beim Selbstbemitleiden stören – zumal dieses immer erst zweimal passiert ist – aber können wir jetzt zu dem Thema zurückkommen, weswegen ich dich angesprochen habe?“ Keine Antwort. „Okay, das werte ich jetzt einfach mal als ja. Also, ich wollte wissen, ob noch jemand von Erestor weiß. Wir haben nämlich das Problem, das Erestor jede Nacht –oder zumindest jede zweite oder dritte – raus muss und sich in einen Wolf verwandelt. Ich kann nicht so oft Wache stehen, da es sonst auffällig wäre, und du auch nicht. Also: wer weiß noch alles von Erestors Fähigkeit? Im Zweifelsfall können wir ja immer noch jemanden einweihen.“

 

Glorfindel blinzelt mich verständnislos an. Anscheinend habe ich es nicht geschafft, seinen Sturz erfolgreich abzufedern und er ist etwas zu heftig auf dem Kopf gelandet.

 

„Wer – weiß –noch – von – Erestor?“, frage ich ganz langsam und deutlich.

 

„Elrond.“ Na toll, und ausgerechnet der kann als Lord nicht zum Wachestehen abkommandiert werden.

 

„Sonst noch jemand?“  - Kopfschütteln. Na wundervoll. „Dann müssen wir jemanden einweihen. Mein Vater ist auf jeden Fall vertrauenswürdig, dann noch Lirulin und Angreninaur. Wahrscheinlich auch Mallanglîn und Heledir. Lindo kann auch Geheimnisse für sich behalten…“

 

„Sureto!“, unterbricht mich Glorfindel streng, richtet sich auf und klopft sich den Sand von der Kleidung. „Willst du das ganze Heer einweihen? Es ist schlimm genug, das du es weißt.“

 

Ich weiß, dass auch Glorfindel manchmal aufbrausend sein kann und ich ihm grade ziemlich viel zugemutet habe, aber eine direkte Beleidigung lasse ich mir nicht gefallen.
„Wie ich bereits sagte, bin ich bereit, einen Wachposten zu übernehmen“, sage ich kalt und funkle ihn dabei an. Dann drehe ich mich schwungvoll um und lasse ihn stehen. Er ruft mir etwas nach, doch ich ignoriere ihn.

 

Mit langen Schritten gehe ich zum Lager zurück. Insgeheim bin ich froh, dass Glorfindel nicht auf die Idee kommt, mir zu befehlen, stehen zu bleiben. Dann hätte ich nämlich gehorchen müssen. Vermutlich ist ihm bewusst, dass er es sich dann endgültig mit mir verscherzt hätte.

 

Als ich das Lager betrete, kommt mir prompt der Grund der Unterredung entgegen. „Mae Govannen, Sureto, welche Laus ist dir denn über die Leber gelaufen?“, fragt Erestor für seine Verhältnisse fast schon fröhlich.

 

„Glorfindel.“
„Soll ich ihm eine von dir verpassen?“ Nun muss ich lachen. Erestor hat eine verquere Art einen aufzumuntern, aber es funktioniert einwandfrei. Anscheinend war auch genau das Erestors Ziel, denn in seinen Augen blitzt es zufrieden auf.

 

„Ist dein Zelt leer?“, fragt er dann. Bedauernd schüttle ich den Kopf. „Leider nein. Deins?“
„Auch nicht. Aber im Wald gibt es sicher einen umgestürzten Baumstamm, der sich als Sitzplatz eignet und dann erzählst du mir, was das goldhaarige Trampeltier mit dem Taktgefühl eines Schmiedehammers angestellt hat, um dich dermaßen aufzubringen.“
Diese Fürsorglichkeit Erestors macht mich dann doch misstrauisch. Das ist gar nicht seine Art. „Was ist der wirkliche Grund, dass du aus dem Lager willst?“

 

Ich muss zugeben, die Miene eines Unschuldslämmchens beherrscht Erestor zur Perfektion, aber dieser Blick vertreibt mein Misstrauen nicht im Ansatz. Im Gegenteil.
„Ist es wegen Oropher?“, wage ich einen Schuss ins Blaue – und Volltreffer, genau ins Schwarze, oder in diesem Fall vielleicht auch ins Grüne.

 

„Wenn wir einen Baumstamm gefunden haben?“, ein kleiner, hoffnungsvoller Schimmer, er könne mich dort von diesem Thema ablenken, blitzt in den schwarzen Augen, deren Pupillen man kaum sehen kann, auf.

 

„In Ordnung, aber glaub‘ nicht, dass ich es vergesse.“ Spielerisch wedle ich mit dem gehobenen Zeigefinger. Er versucht es mit einem Hundeblick, der allerdings einfach nur gruselig ist, da es eher ein Wolfsblick ist und seine Iris dabei das Weiße in seinen Augen verdrängt, wodurch diese pechschwarz wirken.

 

„Das zieht bei mir nicht.“ Erestor rollt die Augen, die nun wieder normal sind. „Das ist wirklich frustrierend. Glorfindel tut dann einfach alles, nur damit ich damit aufhöre. Funktioniert das eigentlich bei dir?“ Natürlich weiß er, dass ich eine ähnliche Begabung habe, wie er, etwas, das ihn ungemein beruhigt.

 

„Ich habe es noch nicht versucht – der Baum da sieht übrigens ganz bequem aus.“

 

„Zu Harzig – du solltest es aber wirklich einmal versuchen – der da ist besser.“

 

„Von mir aus – bei wem denn?! Außer dir weiß es nur mein Ahte und Lirulin, bei ersterem kann ich gleich versuchen, einen Stein zu überreden und bei Lirulin reicht auch der ‚Normale‘ Hundeblick.“ Erestor versucht den Baum sauber zu machen, gibt dann aber auf und legt seinen Mantel auf den Baumstamm. Mit elegant übereinander geschlagenen Beinen lässt er sich dann auf diesem nieder. Ich lächle amüsiert und setze mich dann rittlings auf den Stamm und zweckentfremde sofort den Ast, der hinter mir ist, als Lehne.

 

„Also, was hast du angestellt, dass du so eine Angst vor Oropher hast?“

 

„Hey“, beschwert sich Erestor sofort, „ich habe keine Angst vor Oropher!“ Ich zucke desinteressiert mit den Schultern. Der Ast ist wirklich bequem und zudem mit einer dicken Moosschicht wie ein Kissen gepolstert. „Ich war mal sein Berater und es könnte sein, dass ich ihn das eine oder andere Mal etwas beleidigt habe. Jedenfalls hat er mich irgendwann  mit den Worten, er wolle mich nie mehr sehen, auf ein Pferd gesetzt und weggejagt. Und eigentlich hatte ich vor, ihm seinen Wunsch zu erfüllen. So jetzt bist du dran. Was hat das Goldlöckchen getan?“

 

Ich lehne mich nach vorn und erzähle ihm alles minutiös, dennoch fragt er hier und da nach. Typisch Erestor.

 

Aber es tut gut, sich mit jemandem zusammen über Glorfindel aufregen zu können.

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